Agilität kann ein nützliches Werkzeug sein, um Unternehmen zu helfen, sich schnell anzupassen und zu wachsen. Doch wenn Agilität zu stark beansprucht wird, kann sie zu einer Last für die Organisation und die Mitarbeitenden werden. In diesem Artikel werden wir uns damit auseinandersetzen, was passiert, wenn Agilität überstrapaziert wird und welche Konsequenzen das für Unternehmen haben kann.
Agilität: Definition und Einordnung in den modernen Arbeitsmarkt
Agilität ist ein wichtiger Bestandteil des modernen Arbeitsmarkts. Wenn Agilität jedoch überbeansprucht wird, kann es dazu führen, dass Mitarbeitende unter Druck gesetzt werden und anfällig für Stress und psychische Belastungen werden. Gleichzeitig kann es auch zu einer Erschöpfung und Unzufriedenheit mit dem Arbeitsplatz führen. Es ist daher wichtig, dass Unternehmen Agilität so einsetzen, dass Mitarbeitende und Unternehmen gleichermassen profitieren. Ein Gleichgewicht muss gefunden werden, damit das Unternehmen in einem sich schnell wandelnden Arbeitsmarkt erfolgreich bleiben kann, ohne die Gesundheit und Zufriedenheit der Mitarbeitenden zu beeinträchtigen.
Wann und warum wird Agilität überstrapaziert?
Die Überstrapazierung von Agilität kann zu Unstimmigkeiten oder Problemen führen, die auf lange Sicht zu einer schlechten Entwicklung führen, doch welches sind denn Ursachen?
Ursache 1: Wasserfallagilität
Diese unechte Art der Agilität kommt dann zustande, wenn Organisationen vorgeben, agil zu sein, in der Praxis allerdings lediglich Projekte nach agilen Prinzipien bearbeiten. Die Kultur, die Aufbau- und Ablauforganisation des gesamten Unternehmens sind jedoch in weiten Teilen noch darauf ausgerichtet, klassische Prozessabläufe zu «bedienen».
Ursache 2: Agilität als Allerweltsheilmittel
Es gibt Meinungen, die besagen, dass es gar keine langfristigen Planungen mehr benötigt. Wenn die Organisation agil genug ist, kann sie auf alles reagieren. Das ist nicht falsch. Eine Ahnung zu haben, wie man bei einer bestimmten Entwicklung reagieren müsste und welche Ressourcen es benötigt, ist allerdings ebenso wenig falsch. Vorausschauend in Szenarien zu denken und damit rasch reagieren zu können, auch das ist letztlich Agilität. Aber in einer gesunden Form.
Ursache 3: Unsicherheit ist ein hoher Stressfaktor
Agilität heisst: Auf Unvorhergesehenes adäquat und rasch reagieren können. Doch das wiederum bedeutet, dass Mitarbeitende in einem hohen Mass dem Ungewissen ausgesetzt sind. Stress wird durch latente Unsicherheit oder durch plötzliche Überraschungen ausgelöst. In einer Organisation, die sehr stark auf agiles Reagieren setzt, sind Mitarbeitende dauernd in einem «State of the Unknown». Zum latenten Stress (andauernd) kommt der akute Stress, dem man punktuell in nicht erwarteten Situationen ausgesetzt ist.
Ursache 4: Zugehörigkeitsgefühl in immer ändernden Teamzusammensetzungen
In agilen Organisationen existieren häufig keine Funktionen mehr, sondern Rollen. Innerhalb dieser Rollen werden Mitarbeitende regelmässig neuen Teams zugeordnet, in denen sie besagte Rolle(n) ausfüllen. Das ist bestimmt für viele Mitarbeitende befruchtend, da sie immer wieder neue Menschen und Situationen kennenlernen. Das menschliche Gehirn ist grundsätzlich auf Beständigkeit und Sicherheit ausgelegt. Es gibt somit viele Menschen, die in agilen Settings keine soziale Beständigkeit mehr haben. Für diese Mitarbeitenden kann Agilität belastend sein.
Fazit
Agilität ist ein adäquates Mittel, um in der heutigen VUKA-Welt (volatil, ungewiss, komplex + widersprüchlich) schnell und angepasst reagieren zu können. Die Gefahr ist jedoch vorhanden, dass Agilität zum Schlagwort wird und die Organisation selbst gar nicht agil ist. Dasselbe ist bspw. häufig bei «Human Centered Design» (Design Thinking) oder «LEGO® SERIOUS PLAY®» erkennbar. Wenn eine Organisation Projekte nach Design Thinking-Prinzipien durchführt, ist sie noch längst keine Firma, welche die Nutzer:innen in den Mittelpunkt stellt. Oder wenn eine Organisation die beschriebene Methode mit den dänischen Klemmbausteinen anwendet, ist sie noch lange kein Unternehmen, das eine spielerische und kreative Kultur lebt.
Es ist durchaus angebracht, zu kommunizieren, dass man aus kulturellen Gründen nicht agil aufgestellt ist, und lediglich in Projekten nach agilen Prinzipien arbeitet. Das ist ehrlich, transparent und authentisch.
Zudem ist bei einer Transformation von einer eindimensionalen, klassischen Organisation in eine offene, agile Firmenkultur dafür zu sorgen, dass ein Veränderungsprozess initiiert wird, in dem die Mitarbeitenden genügend Zeit und Raum erhalten, sich mit den agilen Prinzipien auseinanderzusetzen, sich notwendige, fehlende Skills zu erarbeiten und die Umgebung sowie die Toolbox bereitgestellt wird, die es dazu benötigt. Eine solche Transformation ist nicht von heute auf morgen geschafft. Je grösser die Organisation, desto länger dauert eine agile Transformation, nicht selten sind dafür Jahre einzuberechnen. Den sprichwörtlichen «Karren nicht zu überladen» und bedacht vorzugehen, lohnt sich auf jeden Fall, so dass am Ende des Prozesses guten Mutes gesagt werden kann: «Nein, in unserer Organisation gibt es definitiv nicht zu viel agil!»
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