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AutorenbildMarkus Müller

Die Zukunft visualisieren

Aktualisiert: 29. Juni 2023

Hast du schon einmal eine:n Skifahrer:in gesehen, die im Vorstartraum steht, leicht vornüber gebeugt, mit geschlossenen Augen die Hände fliessend nach links und nach rechts bewegt? Dann geht die/der Leistungssportler:in, eine Rennstrecke immer wieder im Geist durch. Er/sie erlebt die Strecke mental und spielt immer wieder durch, wie es wäre, wenn bspw. bei einer neuralgischen Stelle eine Windböe von links kommt. Oder wie der Übergang von einem schattigen in einen sonnigen Abschnitt am besten zu fahren ist. Das ist mentales Üben. Die mentale Technik des «Visualisierens» hat sich im Leistungssport schon längst als effektives Instrument erwiesen, um die Leistungsfähigkeit zu verbessern. Die Technik ermöglicht es Athlet:innen, sich mentale Bilder von Erfolgsszenarien vorzustellen und diese in ihrer Vorstellungskraft zu visualisieren. Angesichts der potenziellen Vorteile dieser Technik stellt sich die Frage, ob sie auch in anderen Bereichen Anwendung finden kann. Die Antwort ist «ja»! Im Buch

Buchumschlag zu Unternehmensentwicklung auf sportliche Art von Markus Müller

«Unternehmensentwicklung auf sportliche Art» wurde 2012 beschrieben, wie Techniken und Methoden aus der Sportpsychologie und dem mentalen Training in die Unternehmens- und Personalentwicklung transferiert werden können. Nun haben wir uns konkret gefragt, ob es Elemente gibt, die sich auch auf das Innovations- bzw. Trendmanagement übertragen liessen. Wir haben eine Methode gefunden: Die Visualisierungstechnik!


Wie funktioniert der Transfer?

«Zukunftsarbeit» im Innovationsmanagement basiert auf dem Verständnis von Trends und Szenarien, um mögliche Zukünfte zu erkunden. Durch die Anwendung der Visualisierungstechnik können Innovationsmanager:innen ihre Vorstellungskraft stärken und sich lebendigere Bilder von zukünftigen Entwicklungen vorstellen. Dies ermöglicht es ihnen, komplexe Zusammenhänge besser zu erfassen und ihre Prognosen zu verfeinern.


Herstellen einer emotionalen Verbindung

Visualisierungstechniken haben die Fähigkeit, Emotionen und Gefühle hervorzurufen. Indem Fachleute sich in die von ihnen entwickelten Szenarien hineinversetzen und diese mental miterleben, können sie eine tiefere emotionale Verbindung zu ihren Prognosen herstellen. Dies kann die Motivation und das Engagement für die Zukunftsarbeit steigern und zu fundierteren Ergebnissen führen. Die Visualisierungstechnik kann an den Kontext der Innovationsarbeit angepasst werden. Das kann bedeuten, dass in der Vorbereitung eines Entwicklungsprozesses Bilder von zukünftigen Umgebungen und Szenarien visualisiert werden. Dies kann beispielsweise durch die Nutzung von Technologien wie Virtual Reality oder Augmented Reality geschehen, um immersive Erfahrungen zu schaffen. Oder ohne grösseren Aufwand mit der Nutzung einer KI-Text-zu-Bild-Plattform, wie jene von midjourney.com. Das folgende Bild zeigt eine fiktive Fabrikationshalle für selbstfahrende Wasserstoff-Lastkraftwagen im Jahre 2050. In der Fabrikation funktioniert alles vollautomatisch.

Eine vollautomatische Fabrikationshalle für Wasserstoff-Lastkraftwagen aus dem Jahre 2050.

Der Prompt für dieses Bild lautete in groben Zügen: «Erstelle ein hochauflösendes, fotorealistisches Bild. Helles Fabrikgebäude für selbstfahrende Wasserstoff-Lkw im Jahr 2050, in dem alles vollautomatisch funktioniert. Der Raum soll mit allen Details präsentiert werden.»


Auf die eigentliche Visualisierung eines Zukunftsbildes folgt die kreative Ideenentwicklung. Hierbei geht es darum, das Bild «anzureichern». Bei obigem Bild könnte dies heissen: Welche Fahrzeuge sehen wir genau? Was leisten diese? Wie sehen die (Herstell-)Prozesse dannzumal aus? Was sind das für Elemente, die sich auf den Dächern befinden? Welchen Teil der Fabrikhalle sehen wir? Usw.


Genau das - wie zu Beginn dieses Artikels beschrieben - gelingt am besten, wenn Einzelpersonen mit geschlossenen Augen Prozesse mental durchlaufen oder sich vorstellen, wie künftige Produkte bedient werden. Wer gerne im Team arbeitet: Das gelingt auch gut gemeinsam in einer kreativen Umgebung bei einem freien Brainstorming. Wobei auch wilde Gedanken erlaubt, gar erwünscht sind. Das bedingt eine Offenheit gegenüber neuen Vorgehensweisen, Akzeptanz gegenüber den Teammitgliedern und eine ausführliche Anleitung durch eine Moderation.


Durch das mentale Durchspielen von verschiedenen Zukunftsszenarien kannst du neue Perspektiven gewinnen und alternative Wege identifizieren, um Herausforderungen anzugehen. Die Visualisierung eröffnet somit einen Raum für kreative und originelle Denkansätze. Zudem erhöht sich das Verständnis von Widerständen und Chancen: Indem du visualisierst, wie sich bestimmte Szenarien in der Realität entfalten könnten, können potenzielle Widerstände und Chancen besser erkannt werden. Durch das gezielte Vorstellen von Herausforderungen kannst du frühzeitig Strategien entwickeln, um diesen entgegenzuwirken. Gleichzeitig kannst du positive Entwicklungen und Möglichkeiten erkennen und diese nutzen.


Integration von multidisziplinärem Wissen

Die mental-visuelle Innovations- und Zukunftsarbeit erfordert ein breites Spektrum an Fachwissen aus verschiedenen Disziplinen. Um die Visualisierungstechnik effektiv anzuwenden, sollte ein Innovationsmanagement multidisziplinäres Wissen und Expertise integrieren. Dies bedeutet, dass sie sich mit Experten aus verschiedenen Fachgebieten austauschen sollten, um ein umfassendes Bild der zukünftigen Entwicklungen zu erhalten und diese in ihre Visualisierungen einzubeziehen.


Kritische Reflexion und Validierung

Die Visualisierungstechnik kann eine mächtige Methode sein, um Zukunftsszenarien zu erkunden, aber sie sollte nicht als alleinige Grundlage für Entscheidungen oder Prognosen dienen. Innovationsmanager:innen sollten sich bewusst sein, dass ihre Visualisierungen Annahmen und Interpretationen beinhalten, die überprüft und kritisch reflektiert werden müssen. Eine enge Zusammenarbeit mit anderen Fachleuten, Peer-Reviews und der Einsatz von validierten Methoden tragen dazu bei, die Genauigkeit und Zuverlässigkeit bei der Retropolierung (Das schrittweise Zurückrechnen der notwendigen Aktivitäten vom Datum des Zielbildes bis zum heutigen Datum) des Zukunftsbilder zu gewährleisten.


Fazit

Die Übertragung der sportpsychologischen Technik des Visualisierens auf die Zukunftsforschung bietet vielversprechende Vorteile. Durch die Stärkung der Vorstellungskraft, das Herstellen einer emotionalen Verbindung, die Förderung kreativer Ideenentwicklung und das bessere Verständnis von Widerständen und Chancen können Zukunftsforscher ihre Arbeit verbessern. Jedoch ist es wichtig, die Visualisierungstechnik an den Kontext der Zukunftsforschung anzupassen und sie kritisch zu hinterfragen und zu validieren. Mit einer sorgfältigen Anwendung kann die Visualisierungstechnik dazu beitragen, fundierte und innovative Einsichten in die zukünftige Entwicklung zu gewinnen und Entscheidungen auf informierter Basis zu treffen.

Der passende Buchtipp zum Artikel

Cover des Buches BEREIT FÜR DIE ZUKUNFT von Jane McGonical

Die Vorbereitung auf zukünftige Krisen ist von entscheidender Bedeutung, doch allzu oft konzentrieren wir uns nur auf akute Probleme und vernachlässigen langfristige Risiken. In ihrem Buch «Bereit für die Zukunft» zeigt uns Jane McGonigal, renommierte Spieleentwicklerin und Futuristin, wie wir unsere Denkweise erweitern und uns auf das Unvorstellbare vorbereiten können. Die Autorin zeigt im Buch auf, wie wir uns auf unvorstellbare Krisen vorbereiten können. Kritisches Denken, Zusammenarbeit und Kreativität sind Schlüsselkompetenzen, um kommende Herausforderungen zu bewältigen. Methoden wie Szenarioplanung, Visualisierungstraining und Spielen von Videospielen helfen dabei, unsere Denkweise zu erweitern.


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