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Ambidextrie und organisationale Freiräume


Kelly Isaksson ist SOULWORXX jüngstes Teammitglied. Kelly hat bei uns rasch einen Spitznamen erhalten, sie wird meist nur noch mit ihren Initialen gerufen ;-). Heute stellt Kelly Markus 10 Fragen zu folgendem Thema: «Warum sind organisationale und zeitliche Freiräume für jedes Unternehmen so wichtig, um sich weiterzuentwickeln?» Die folgenden Zeilen sind ein 1:1-Transkript des Interviews. Die Aufgabe, die Fragen zu bestimmen fällt Kelly zu. Markus sieht die Fragen erst bei der Beantwortung.


Kelly: Welchen Einfluss haben organisationale Freiräume auf die Kreativität und Innovationskraft einer Organisation?


Markus: Meines Erachtens einen riesigen! Ich bemühe gerne wieder mal einen Vergleich mit dem Leistungssport. Ein Team, das jeden Tag nur Wettkämpfe bestreitet, hat nie Zeit, neue Strategien zu entwickeln und zu trainieren. Deshalb gibt es immer wieder wettkampffreie Zeiten und Trainingslager, in denen man Teambuilding betreibt und neue Spielstrategien testet und einübt? Gibt es in der Wirtschaft eine wettkampffreie Zeit? Gibt es Trainingslager? Viel zu selten bis gar nie! Vielleicht einmal pro Jahr bei einer zweitägigen Retraite der Geschäftsleitung in den Bergen. Aber irgendwie befinden wir uns doch in der Wirtschaft ständig im Wettkampf! Im Sport unvorstellbar!


Kelly: Inwiefern ermöglicht zeitliche Flexibilität einer Organisation, sich besser an sich verändernde Marktbedingungen anzupassen?


Markus: Ganz einfach! Wenn die Organisation permanent auf Voll- oder gar auf Überlast läuft, hat sie gar nie Zeit, Verhaltensweisen zu finden und zu testen, wie man bei neuen Marktbedingungen agieren sollte. Und das führt dann häufig zum «Reagieren», bei dem die Organisation kaum mehr Handlungsspielräume hat, weil der Zeit- und Marktdruck zu hoch ist. Jedes Unternehmen tut also gut daran, sich zeitliche Freiräume für Experimente zu schaffen.


Kelly: Wie können Freiräume in der Organisation dazu beitragen, dass Mitarbeitende ihre Fähigkeiten und Talente optimal entfalten können?


Markus: Talent ist schön, das reicht jedoch in aller Regel heute nicht mehr aus, um erfolgreich zu sein. Es geht wiederum um Übung, um Training, damit Skills und Verhaltensweisen ausprobiert werden können. Oder hast du schon mal von Leistungssportler:innen gehört - um nochmals eine Analogie aus dem Leistungssport zu bemühen - die eine Freistossvariante das erste Mal in einem wichtigen Ligaspiel ausprobieren?


Kelly: Welche konkreten Beispiele gibt es, bei denen organisationale Freiräume zu bedeutenden Innovationen in Unternehmen geführt haben?


Markus: Ich habe vor einigen Jahren einen Design Thinking-Prozess für die Fachhochschule Nordwestschweiz FHNW (eine der bedeutendsten Fachhochschulen des Landes) planen und moderieren dürfen. Es ging darum, eine innovative, zukunftsträchtige Lehr- und Lernform zu entwickeln. Dafür wurden teilweise Dutzende von Personen für Tage freigestellt, um im Prozess mitarbeiten zu können. Der Aufwand in der Design-Phase lag insgesamt bei weit über hundert Personentagen. Das Angebot wurde erst nach etwas fünf Entwicklungsjahren in diesem Jahr erfolgreich eingeführt. Das benötigte insgesamt unheimlich viele organisationale Freiräume. So etwas neben der täglichen Arbeit zu designen und einzuführen, würde nie funktionieren.


Kelly: Wie beeinflussen organisationale Freiräume die Mitarbeitendenmotivation und -bindung?


Markus: Sehr stark! Beim heutigen Fachkräftemangel geht es immer mehr darum, einen starken «Employer Brand» zu haben. Wenn Mitarbeitende nicht immer nur im sprichwörtlichen Hamsterrad laufen müssen, erhöht das die Attraktivität eines Unternehmens und damit automatisch auch die Mitarbeitendenmotivation und deren Bindung an die Organisation.


Kelly: Welche Rolle spielen organisatorische und zeitliche Freiräume bei der Entwicklung einer nachhaltigen Unternehmenskultur?


Markus: Zuerst will ich das Wort «nachhaltig» in diesem Kontext kurz definieren. Hier verstehe ich «nachhaltig» nicht im Sinne von «grün» oder «ökologisch», sondern im Sinne von «anhaltend» und «langfristig». Wer arbeitet nicht gerne in einer Organisation, die ein gutes Image pflegt? Organisationen, die Freiräume bieten, sind speziell in den geburtenschwächeren Generationen Y und Z äusserst beliebt. Beide Generationen - um im Klischee zu sprechen - wünschen sich gewisse Möglichkeiten, sich selbst zu entfalten. Und das kann man nur in Freiräumen. Also wiederum eine Frage der modernen Unternehmenskultur. Und wie hat der Managementpapst Peter Drucker schon vor vielen Jahren gesagt? Culture eats strategy for breakfast! Jede noch so akribisch erarbeitete, gute Strategie wird durch eine schlechte Unternehmskultur übertüncht!


Kelly: Wie können Unternehmen sicherstellen, dass Freiräume nicht zu einem Mangel an Struktur oder Zielsetzungen führen?


Markus: Du meinst, weil plötzlich nur noch alle das machen, was ihnen grad Spass macht? Wir arbeiten heute - zumindest in der Kreativwirtschaft - in einem Umfeld, das in hohem Mass geprägt ist von Selbstorganisation und Eigenverantwortung. Damit dies funktioniert, sind jedoch Leitplanken notwendig. Das sind Regeln, Gepflogenheiten und flexible, anpassbare Zielsetzungen, die von allen gelebt und akzeptiert werden. Wer mit solchen Leitplanken arbeitet, wird nie Mühe mit ziel- und strukturlosen Mitarbeitenden haben.

Kelly: Inwiefern fördern Freiräume in der Organisation die Entstehung von interdisziplinären Teams und die Zusammenarbeit unterschiedlicher Abteilungen?


Markus: Indem man für diese Freiräume ganz bewusst Plattformen schafft, die es Mitarbeitenden ermöglichen, sich über den Tellerrand auszutauschen. Das können bspw. interkollegiale Gespräche zu getätigten Fehlern sein. Was hätten die anderen gemacht, um die Fehler zu vermeiden? So lernt man, eigene Verhaltensweisen aus anderen Perspektiven zu sehen. Wichtig ist auch, dem informellen Austausch genügend Raum zu geben. Entstehen nicht häufig während der Mittag- oder Kaffeepausen sowie auf Betriebsausflügen die besten Diskussionen und Ideen? Eben überall und immer dort, wo man sich über die Abteilungsgrenzen hinaus trifft.


Kelly: Welche Risiken gibt es bei der Gewährung von organisatorischen und zeitlichen Freiräumen, und wie können Organisationen diese am besten managen?


Markus: Das grösste Risiko dürfte fehlendes Vertrauen sein. Das hat viel mit einer fortschrittlichen Führungskultur zu tun. Was machen die den ganzen Tag in diesem Kreativraum? Kleben die eigentlich nur farbige Zettel an die Wand? Arbeiten die auch mal? Die gehen morgens um 10 Uhr joggen? Spinnen die? Um 10 Uhr arbeitet man doch, Sport gehört in die Mittagspause!

Wer sagt, dass man während einem lockeren Jogging nicht auch ein informelles Meeting abhalten kann? Wer sagt, dass man in einem Kreativraum nur rumhängt und Billard spielt? Die Arbeit von heute ist nicht mehr vergleichbar mit der Arbeit der 1980er- oder 1970er-Jahre.

Wie man das managen kann? Das ist eine kulturelle Transformation, die ganz oben in der Organisation beginnen muss. Wenn das Top-Management ein solches Verhalten selbst lebt und Mitarbeitende fördert und motiviert, sich selbst organisationale Freiräume nehmen zu dürfen, erst dann wird eine solche Transformation erfolgreich.


Kelly: Inwiefern ist Ambidextrie bei SOULWORXX ein Thema?

Das Bild zeigt das Cover der vierten Ausgabe des Innovationsmagazins INNOV8!
INNOV8!- Das digitale Innovationsmagazin

Markus: Das passt perfekt zu uns! Insofern sind bei uns grosse Freiräume eingeplant. Bei uns sind die Mitarbeitenden nicht selten ab 14 oder 15 Uhr auf dem Bike anzutreffen. Nicht weil sie auf «Happy Life» machen. Nein, weil sie in der Bewegung viel kreativer sind! Zudem: Weil wir in der Arbeit mit unseren Kund:innen feststellen, dass das Thema «Ambidextrie» ausnahmslos alle Organisationen beschäftigt, ist dies auch das Thema der bevorstehenden Ausgabe von INNOV8!, unserem digitalen Fachmagazin. Leider sind wir ein wenig verspätet damit, aber ca. im März 2024 wird das Magazin an alle Abonnent:innen versendet. Und falls ihr noch kein Abo haben solltet... über https://info.soulworxx.com/innov8 könnt ihr die digitale Zeitschrift kostenlos abonnieren!

Kelly: Danke für die Antworten!


Markus: Danke für die guten Fragen, Kelly!


Mehr zu INNOV8! gibt es auch auf unserer Website zu lesen... einfach auf diesen Link klicken!

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