Bei SOULWORXX haben wir in den letzten Jahren viele Erfahrungen mit Online-Formaten für Coachings, Trainings und Workshops gesammelt. Wir haben gelernt, wann welche Formate funktionieren und sinnvoll sind. Insbesondere die letzten Monaten (vor allem jene während des Covid-Lockdowns) haben nochmals einige Fettnäpfchen für uns bereitgehalten und wiederum haben wir einige €, CHF oder $ an Lehrgeld bezahlt. Das Jahr 2020 wird auf jeden Fall als jenes in die Wirtschaftsgeschichte eingehen, das definitiv gezeigt hat, dass aus Beratungs- und Moderationssicht sehr vieles möglich ist. In diesem Artikel möchten wir nun einige unserer Erfahrungen weitergeben.
Der ultimative Ratgeber über die Eignung von Online-Formaten
Meetings
Ja, unbedingt! Wenn ich denke, wie viel Zeit ich in den letzten Monaten gespart habe, weil ich nicht mehr von A nach Z rennen/fahren musste, um einem unproduktiven Meeting beizuwohnen. Meetings dienen meist dem formellen Austausch und/oder der Entscheidungsfindung. Das ist definitiv nichts, was nicht auch online geschehen kann. Und mittlerweile gibt es so viele gute Tools und Plattformen, dass gut strukturierte und moderierte Meetings schon fast zu einem Genuss werden.
Online-Kurse
Wer ein audiovisueller Typ ist und Informationen vor allem über den Seh- und den Hörsinn aufnimmt, für den sind Online-Kurse eine gute Sache! Auf udemy.com bspw. gibt es Abertausende von Online-Kursen zu jedem erdenklichen Thema. Vorteil: Die meisten Kurse sind unglaublich günstig. Nachteil: Allzu tief in die Materie tauchen sie nicht ein, die Kurse dauern meist nur eine runde Stunde, sind asynchron, d.h. der Trainer/Dozent kommuniziert nur über einen Weg, nämlich vom Trainer zum Lernenden. Ohne unmittelbare Interaktionsmöglichkeit. Manche Kurse kommen sehr handgestrickt daher, aber es gibt auch viele, die wirklich gut gemacht sind. Unser Netzwerk ist aktuell in der Produktion von mehreren professionell gefilmten und produzierten Formaten, die wir auf udemy.com publizieren werden. Ein regelmässiger Blick auf unsere entsprechende Seite lohnt sich auf jeden Fall.
Online-Trainings und -Seminare
Hier unterscheide ich zwischen Webinaren und echten, interaktiven Online Trainings. Es gibt nicht wenige Trainer, die zwar synchron unterrichten, also live vor der Webcam stehen und referieren. Aber in der Art und Weise gleicht dies nicht selten eher den Online-Kursen, die ich im obigen Artikel beschrieben habe. Organisationen, die sich überlegen, ihren Mitarbeitenden Online-Trainings anzubieten, sollten sich vorab gut mit potentiellen Online-Trainern unterhalten und herausspüren, ob diese wirklich in der Lage sind, online interaktiv zu arbeiten.
Viele Menschen lernen am besten, wenn sie nach dem VAKOG-Modell unterrichtet werden (V = visuell [also über den Sehsinn], A = auditiv [über der Hörsinn], K = kinästhetisch [über das «Tun», also über das «haptische» Erfahren], O = Olfaktorisch [über den Riechsinn] und G = gustatorisch [das Schmecken]). Für die meisten Online-Kurse fällt das «O» und das «G» weg. Aber das «selbst machen, das ausprobieren», das sollte auf jeden Fall in irgendeiner Art und Weise in einem guten Online-Seminar drin sein. Doch diese - ich nenne es sinnbildich hier - haptische Element in ein Online-Training zu bringen, braucht ein bisschen kreatives Einfühl- und Umsetzungsvermögen von Seiten des Coaches. Sind die praktischen Übungen in einem Online-Kurs gut und kurzweilig aufgebaut, dann steht die Ampel auf grün, sonst eher gelb. Und ja... denken Sie an die Dauer eines Online-Kurses! Ich habe schon sehr erfolgreich zweitägige Online-Seminare, die an einem Stück durchgeführt wurden, geleitet. Aber in der Regel empfehle ich eher halb- oder ganztägige Trainings mit genügend Pausen zwischen den Arbeits- und Lernblöcken.
Kreativ-Workshops
Ob neue Marketingideen, Produktinnovationen, Prozessverbesserungen oder Geschäftsmodell-Reformen, gute Ideen sind in fast allen Lagen des Business-Alltags gefragt. Hier gilt dasselbe, wie eben beschrieben: Ein versierter Online-Facilitator und -Moderator mit der richtigen «Ausrüstung» kann für fast alle Themen einen spannenden Kreativ-Workshop aufbauen. Voraussetzung: Die Teilnehmenden lassen sich auf den Online-Prozess ein. Eine Online-Ideenfindung findet in der Regel in einer Form statt, die nicht so synchron ist, wie dies bei einem physischen Workshop, der Fall ist. Bei einer meiner Lieblings-Kreativmethoden, dem physischen Brainwriting, reicht eine Person der nächsten ihre ausgefüllten Arbeitsblätter weiter. Das setzt jener Person, welche die Blätter kriegt, einen positiven Druck auf, daran weiterzuarbeiten.
In einem Online-Format muss man sich sehr stark auf die intrinsische Motivation der Teilnehmenden verlassen können, da sich ein Online-Brainwriting nicht direkt mit der physischen Form vergleichen lässt. Eine teilnehmende Person schreibt hierbei Ideen auf ein Online-Board. Während 10 - 20 Minuten arbeitet jede Person für sich und wartet darauf, dass die Kolleg*innen weitere Ideen auf das Board «pinnen», um sich dadurch wiederum zu neuen Ideen inspirieren zu lassen. Bei einem physischen Brainwriting kann sich eine Person schlecht für 3, 4 Minuten aus der Runde entfernen. Bei einem Online-Brainwriting geht das. Deshalb braucht es eine recht hohe Motivation und ein hohes Commitment der Teilnehmenden, um Online-Kreativworkshops erfolgreich zu gestalten. Deshalb gibt es neben der grünen Ampel hier noch eine gelbe hinzu.
Design Thinking Workshops
Design Thinking-Projekte bauen sehr stark auf querfunktionale, eng zusammenarbeitende Teams. Physische Teams organisieren sich sehr schnell und übernehmen für die Empathie- oder Recherche-Phase Aufgaben wie bspw. Interviews, Desk Research, Beobachtungsausflüge und Selbsterfahrung in den definierten Themen. Die Vorbereitung von Recherche-Phasen erfordert aus Erfahrung ziemlich viel Zeit. In Online-Prozessen sogar noch mehr, da sich die dezentralen Teams besser organisieren müssen. Hier braucht es wiederum hoch motivierte und selbstorganisierte Teammitglieder, um Online-Design-Thinking-Prozesse erfolgreich zu gestalten. Eine gelbe Ampel gibt es von mir insbesondere deshalb, weil die erste Phase der Prototypen-Erstellung teilweise nur mit sehr viel Kreativität möglich ist. App- oder Software-Prototypen kann man sehr wohl als digitale Mockups prototypisieren. Aber was, wenn Prozesse, Customer Journeys oder neue Produkte von Teams prototypisiert werden sollen. Unmöglich ist dies nicht, aber wie gesagt... es benötigt einiges an digitaler Reife, dass Pretotypen (also, erste Entwürfe, bevor man schliesslich die eigentlichen Prototypen baut) in brauchbarer Form durch die definierten Zielgruppen getestet werden können.
Coachings mit «einfacheren» Inhalten
Das hängt sehr stark von Coachingthema, Technik, Tools und Maturität des Online-Coaches ab. Meines Erachtens können Coachings, die online durchgeführt werden nicht so interaktiv und erlebnisreich wie physische Coachings gestaltet werden. Wenn die/der Coachee gegenüber sitzt, kann diese im Bedarfsfall rasch eine neue Position im Raum einnehmen, um - im wahrsten Sinne des Wortes - die Perspektive zu verändern. So etwas ist zwar online nicht unmöglich, verliert aber viel Kraft. Insofern: einfachere Coachings, die eher eine Form des Gesprächs haben, sind für mich sehr wohl denkbar. So kriegt dieses Thema von mir eine gelbe Ampel, weil sie doch einiges an Erfahrung, Vorbereitung und Empathie von Seiten des Coaches benötigt.
Coachings mit «komplexeren» Inhalten
Eine Königsdisziplin des Coachings bzw. der psychologischen Beratung sind für mich «systemische Strukturaufstellungen». Als systemisch-lösungsorientierter Coach mit Masterabschluss (ich habe mich also intensiv mit der Materie beschäftigen dürfen) weiss ich, wie herausfordernd und einnehmend schon physische Coachings mit diesem Hintergrund sind. Insbesondere erwähnte Strukturaufstellungen verlangen die vollste Aufmerksamkeit eines Beraters/Coaches.
Im Rahmen eines Startup-Projektes haben wir uns vor einigen Jahren intensiv mit Online-Coaching beschäftigt. Innerhalb dieser Arbeiten haben wir untersucht, welche Coachingmethoden und -situationen (u. a. auch Strukturaufstellungen) sich eignen, um in Online-Coachings eingesetzt bzw. behandelt zu werden. Es gab schon damals einige interessante 3D-Applikationen, mit denen sich räumliche Strukturaufstellungen vornehmen liessen. Allerdings verliehen diese einem Coaching nicht die Kraft einer physischen Strukturaufstellung, in der man selbst teilnimmt. Daher von meiner Seite: In Coachings, in denen Coachees für sie «schwere» Themen bearbeiten, präferiere ich klar die physische Form der Zusammenarbeit.
Komplexe Beratungen und Strategie-Workshops
Eine meiner liebsten Strategiemethoden ist Lego® Serious Play® (LSP). Dabei geht es unter anderem darum, dass alle Teilnehmenden eines Workshops mit den zur Verfügung gestellten Lego-Steinen eine Metapher ihrer Gedanken zu den Fragestellungen im Workshop bauen und diese vorstellen. Am Ende wird EIN gemeinsames Modell (Landscape genannt) gebaut. Ich würde grundlegend nicht sagen, das geht online nicht, aber der Prozess verliert meines Erachtens zu viel «Kraft», um ihn online anzuwenden.
Eine weitere Strategie-Methode aus der «Strategic Play»-Toolbox heisst «Business Wargaming». Hier geht es darum, dass kleine Teams verschiedene Perspektiven einnehmen (bspw. jene der stärksten Mitbewerber, jene des Marktes, jene der Regulatoren etc.), hernach antizipieren, was die Mitspieler bei bestimmten Szenarien als nächstes tun könnten und aktiv Szenarien entwickeln. Auch hier gilt für mich dasselbe wie bei LSP. Unmöglich ist es nicht, aber schon sehr aufwändig und es benötigt eine immense digitale Maturität, Affinität und intrinsische Motivation, um solche Strategie-Workshop online zu einem positiven Abschluss zu bringen. Was sicher denkbar wäre, gewisse Teile eines Strategie-Workshops vorgelagert online abzuwickeln (bspw. ein Brainstorming zu gewissen Themen). Insgesamt arbeite ich persönlich in diesem Bereich lieber physisch, aber auch hier würde ich nicht zwingend ausschliesslich eine rote Ampel setzen.
Meine persönlichen Schlussfolgerungen: Wir brauchen eigentlich keine digitale, sondern eine hybride Transformation, denn wir müssen lernen, wann digitale Formate angebracht, wann hybride Formate sinnvoll sind, aber auch wann der Mensch physisch im Mittelpunkt stehen sollte.
Über alles hinweg gesehen, bin ich ein Fan von Online-Plattformen und -Arbeitsformen. Aber in Massen und nicht ausschliesslich. Man sollte die Vor- und Nachteile beider Arbeitsformen bei jeder Fragestellung aufs Neue überprüfen, um zu entscheiden, welche Form besser passt. Digitalfans, die überzeugt sind, (fast) alles lasse sich digitalisieren, werden meine Äusserungen vielleicht nicht mögen, aber ich bin überhaupt kein Freund dogmatischer Anwendung von Methoden und Arbeitsformen. Das gilt für mich auch für die Digitalisierung. Der Mensch muss Schritt halten können mit der Veränderung. Dazu übrigens gleich noch ein Buchtipp: Das Werk «Hirn 1.0 trifft Technologie 4.0: Der Mensch und seine kreativen Potentiale im Fokus»
von meinen lieben Netzwerkpartner*innen und Autorenkolleg*innen Ralf Günthner und Daniela Dollinger trifft in der Hinsicht, dass der Mensch mit der digitalen Transformation Schritt halten muss, den Nagel auf den Kopf.
Die vorangegangen Ausführungen basieren auf meinem aktuellen Wissen und meinen Erfahrungen. Ich bin überzeugt, in den nächsten Monaten und Jahren wird im Online-Coaching/in der Online-Moderation noch einiges passieren. Vielleicht entwickelt jemand ein VR-Set für Lego® Serious Play®. Dann würde die Ampel bei «Komplexe Beratungen und Strategie-Workshops» rasch von rot auf gelb oder gar grün hüpfen. Ich bin gespannt, was noch alles kommt! Aber noch einmal: Tatsache ist, wir müssen in den kommenden Jahren hybrider werden! Die Offenheit zur digitalen Zusammenarbeit muss in vielen Organisationen in der kommenden Zeit noch stark wachsen. Coaches und Moderatoren brauchen noch mehr Erfahrung und Empathie in der Online-Moderation bzw. im Online-Coaching. Wir bei SOULWORXX glauben, dass wir mit unseren Erfahrungswerten viel weitergeben können. Und deshalb freuen wir uns auf Ihre Kontaktaufnahme, um mit Ihnen zu besprechen, ob sich «Ihr Thema» für eine Online-Arbeit eignet oder eher eine physische Form der Zusammenarbeit sinnvoll wäre.
Schreiben Sie uns! Vereinbaren Sie einen Termin mit uns, dann unterhalten wir uns bspw. in unserem virtuellen SOULWORXX-Raum auf Whereby, der norwegischen Kollaborationsplattform, über die Möglichkeiten.
Wenn Sie Lust haben, diesen Artikel zu verlinken, dann sind Sie herzlich eingeladen dies - unter Angabe der Quelle - zu tun. Vielen Dank dafür!
Dieser Artikel wurde von Markus Müller geschrieben! Vielen Dank fürs Lesen!
Alle Ampelbilder in diesem Artikel: https://www.freepik.com Designed by macrovector / Freepik
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